Beschäftigst du dich eingehender mit der Privaten Krankenversicherung, wirst du vielleicht auch schonmal in der Situation gewesen sein, dass dir dein Berater einen Test oder „Vergleich Private Krankenversicherung“ auf den Tisch gelegt hat. Als erste Orientierung ist das meiner Meinung nach auch gar nicht schlecht. Was jedoch alle Tests und Vergleiche gemein haben ist, die fehlende Tiefe bei den einzelnen Beurteilungskriterien.
Heute möchte ich dir gerne mal ein Beispiel geben, worauf du vielleicht wirklich achten solltest und wo sich ein exzellenter Krankenversicherer von einem guten oder mittelmäßigen unterscheidet. Um die ganze Wichtigkeit für dich und deine Entscheidung rausarbeiten zu können, ist der Artikel ein wenig länger geworden. Ich hoffe du kannst am Ende nachvollziehen, warum es bei dem Thema wichtig ist, ein wenig ausführlicher zu werden.
Der Teufel liegt im Detail
In einem früheren Artikel habe ich ja schon einmal über die Auswüchse und Irreführungen auf Vergleichsplattformen oder Maklerprogrammen geschrieben. Während es damals um den Bereich der Hilfsmittel ging, werfen ich heute einen Blick auf das die Leistungen im Bereich einer Reha, Kur oder Anschlussheilbehandlung. Und lass dir an dieser Stelle vielleicht schonmal gesagt haben, dass diese drei Begrifflichkeiten keineswegs gleichzusetzen sind und die meisten Vermittler von Privaten Krankenversicherung hier keine Unterscheidung oder gar eine Auswirkung auf deinen Versicherungsschutz ableiten können.
Gesundheitsversorgung in Deutschland
Werfen wir im ersten Schritt erst einmal einen Blick auf die grundsätzliche Gesundheitsversorgung in Deutschland wie wir sie kennen und wie sie sich einfach unterscheiden lässt.
Begriffsdefinition
Zum besseren Verständnis werfen wir im nächsten Schritt einen Blick auf die einzelnen Begrifflichkeiten bzw. schauen uns an, wie diese vom Gesetzgeber interpretiert werden. Diese wird später dann auch nochmal sehr wichtig sein, wenn es darum geht zu erkennen, wer denn die einzelnen Kosten eigentlich tragen sollte.
Rehabilitation
Die Rehabilitation (kurz Reha), bezeichnet allgemein eine Wiedereingliederung und spezielle Maßnahmen zur medizinischen Wiederherstellung, beruflichen Wiederbefähigung oder sozialen Wiedereingliederung. Es geht also darum, wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. § 5 SGB IX sieht dabei 5 Leistungsgruppen vor:
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
- Anschlussrehabilitation (AR) – Anschlussheilbehandlung (AHB) und die Anschlussgesundheitsmaßnahme (AGM) für Nichtmitglieder der GKV (z.B. Privatpatienten
- Medizinische Reha ohne vorherige stationäre Krankenhausbehandlung
- Kinderheilbehandlungen, Rehabilitationen für Mütter und Väter, Entwöhnungsbehandlungen für Suchtkranke u.s.w.
- Leistungen für Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Reha)
- Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen
- Leistungen zur Teilhabe an Bildung
- Leistungen für soziale Teilhabe
Anschlussheilbehandlung
Eine Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine ganztägig ambulante oder stationäre Leistung zur medizinischen Reha. Die Besonderheit dieser Leistung besteht darin, dass sie nur bei bestimmten Erkrankungen in Betracht kommt uns ich unmittelbar (spätestens 2 Wochen nach der Entlassung) an eine stationäre Krankenhausbehandlung anschließt.
Kur
Mit der Einführung des 9. Sozialgesetzbuches wurde der Begriff „Kur“ offiziell gestrichen. Wenn Gesetzliche Krankenkassen oder Private Krankenversicherungen also von Kuren sprechen meinen Sie sehr wahrscheinlich die Leistungen nach §23 SGB V und §24 SGB V (Medizinische Vorsorgeleistungen bzw. Medizinische Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter) also präventive Maßnahmen oder Leistungen nach § 41 SGB V (Medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter).
Wer trägt die Kosten einer medizinischen Rehabilitation oder Anschlussrehabilitation
In § 6 SGB IX sind die einzelnen Leistungsträger für eine medizinische Reha (AR, AHB und AGM) abschließend aufgelistet und damit gesetzlich geregelt. Diese sind:
- Gesetzliche Krankenkassen (GKV)
- Bundesagentur für Arbeit
- Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften)
- Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (z.B. Dt. Rentenversicherung)
- Träger der Kriegsopferversorgung
- Träger der öffentlichen Jugendhilfe
- Träger der Eingliederungshilfe
Was hier auf den ersten Blick schonmal auffällt, ist, dass Unternehmen der Privaten Krankenversicherung nicht als Träger aufgelistet werden. Was dies für Dich bei einem Wechseln in die PKV bzw. deine Entscheidungsfindung im Rahmen eines Vergleichs zur Privaten Krankenversicherung bedeutet, schauen wir uns später natürlich noch genauer an.
Grundsätzlich ist aber erst einmal wichtig zu wissen, dass die Kostenübername klar nach gesetzlich geregelten Prioritäten gestaffelt ist. Dabei gilt (fast immer) das folgende Schema:
Der erste Leistungserbringer für eine Anschluss Rehabilitation ist somit immer die Gesetzliche Rentenversicherung. Zahlst Du jedoch z.B. als Selbständiger oder Rentner keine Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung ein, geht die Leistungspflicht in der nächsten Stufe auf die Träger der Berufsgenossenschaft über. Zahlst Du auch hier keine Beiträge ein, oder es handelt sich schlicht nicht um einen Wegeunfall oder eine Berufserkrankung, würde im letzten Schritt die Gesetzliche Krankenkasse einspringen. Bist Du jedoch bei einer Privaten Krankenversicherung versichert, hättest du als Rentner, Selbständiger (ohne Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft, überhaupt keinen Leistungsanspruch.
Und genau das ist das Problem bei einem „Vergleich Private Krankenversicherung“. Die meisten Angebote am Markt, haben hier nämlich keine ausreichende Deckung vorgesehen.
Problemstellungen bei Anschluss Rehabilitation
Erschwerend kommt bei einer Anschlussheilbehandlung hinzu, dass die Verlegung in aller Regel direkt aus dem Krankenhaus erfolgt und dieses dann einen Antrag bei der Gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Berufsgenossenschaft stellen muss. Die Bearbeitung kann jedoch durchaus mal so lange dauern, dass deine Anschluss-Rehabilitation schon begonnen hat, du aber am Ende vielleicht gar keine Kostenübernahmebescheinigung bekommst. Wenn dann dein Privater Krankenversicherer auch keine tariflichen Leistungen vorsieht, bleibst du auf Kosten im zum Teil mittleren fünfstelligen Bereich sitzen.
Fallbeispiele für eine Anschluss-Rehabilitation (AHB oder AGM)
- Diagnose Herzinfakt: Nach der Operation im Krankenhaus erfolgt eine Verlegung in eine Klinik zur Anschlussheilbehandlung mit dem Ziel die Gesundheit zu stabilisieren und dem Patienten beizubringen, mit der neuen Situation zu leben.
- Diagnose schwere Schulterverletzung. Nach einer Operation im Krankenhaus und einer ambulanten Behandlung während der Ruhigstellung (6 Wochen) erfolgt dann die Verlegung in eine Klinik zur Anschlussrehabilitation mit dem Ziel, die Beweglichkeit der Schulter wieder weitestgehend herzustellen
- Diagnose Schlaganfall: Nach der Operation im Krankenhaus erfolgt die unmittelbare Verlegung in eine Klinik zur Anschlussrehabilitation mit dem Ziel einzelne körperliche Funktionen (wie z.B. das Sprechen) wieder zu erlernen.
Fallbeispiele für eine Medizinische Rehabilitation (auf Antrag)
- Diagnose starkes Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus. Stationäre oder teilstationäre Reha-Behandlung mit dem Ziel das Fortschreiten der bestehenden Erkrankung zu vermeiden oder die Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen
- Diagnose Erschöpfung, wiederkehrende Infekte oder starke Kopfschmerzen. Stationäre Reha-Behandlung mit dem Ziel den Gesundheitszustand zu stärken oder einen Konzentrations- bzw. Leistungsverbesserung herbeizuführen.
- Diagnose Multiple Sklerose. Stationäre Reha-Behandlung in einer neurologischen Fachklinik mit dem Ziel das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen, die Verschlechterung wichtiger Körperfunktionen zu vermeiden und ggf. die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Wann greift das Gesetzliche System?
Die folgende Graphik zeigt auf, wann du als Privatpatient einen Schutz über die gesetzlichen Systeme hast bzw. wann halt auch nicht:
Arbeitnehmer
Arbeitnehmer sind während Ihrer Erwerbsphase ganz normal über die Dt. Rentenversicherung bzw. im Falle einer Berufserkrankung auch über die Berufsgenossenschaft abgesichert. Greifen beide Leistungsträger nicht, gibt es jedoch im Falle eines Privatpatientenstatus keine Gesetzliche Krankenkasse welche in letzter Instanz einspringen würde. In der Rentenphase würde die Deutsche Rentenversicherung bzw. Berufsgenossenschaft nur einspringen, wenn es sich um eine bestimmte (Berufs)erkrankung handelt.
Selbständige
Bei Selbständigen würden die Leistungserbringer nur dann einspringen, wenn du entsprechend Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung bzw. Berufsgenossenschaft zahlst.
In beiden Fällen ist es demnach sehr wichtig, dass deine Private Krankenversicherung einen wirklich guten und passenden Schutz anbietet. Werfen wir hier im ersten Schritt aber mal einen Blick auf die allgemeinen Musterbedingungen für Private Krankenversicherungen. Dort steht im § 5 MB/KK 2009 unter Einschränkung der Leistungspflicht folgende Aussage:
Die allgemeinen Musterbedingungen einer Privaten Krankenversicherung sehen im Bereich (d) also keine Leistungen für Rehabilitationsmaßnahmen vor und verweisen auf den jeweilig einzelnen Tarif.
Vergleich Private Krankenversicherung
Die meisten Makler und Mehrfachagenten vertrauen beim Vergleich Private Krankenversicherung noch immer auf eines der unzähligen Vergleichsprogramme am Markt. Da hier die Kriterien für die Auswahl der „besten Privaten Krankenversicherung“ leider sehr oberflächlich und schlecht recherchiert sind, kommt bei allen Anbietern auch so ziemlich das gleiche Ergebnis raus.
Zur Veranschaulichung habe ich das ausführlichste Vergleichsprogram einfach mal mit dem Maximum an Kriterien gefüttert (also alle Leistungen aus dem obersten Regal) gefüttert und dabei die folgenden 4 Anbieter als Empfehlung erhalten.
Legt mal also die bestmöglichen Leistungen als Auswahlkriterium zugrunde, erfüllt der erste Tarif diese Anforderung zu 96%, der zweite zu 93%, der dritte zu 86% und der vierte lediglich nur noch zu 70%.
Doch wie sehen die Leistungen für Rehabilitationsmaßnahmen bei den einzelnen Anbietern in den o.g. Tarifen aus?
Hanse Merkur Tarif KVT500 und KVT1000
Die zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Hanse Merkur (AVB) schreiben dabei folgendes:
Die Allgemeinen Tarifbedingungen der Hanse Merkur sehen für Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen also erst einmal (analog den Musterbedingungen des PKV-Verbandes) keine Leistungen vor und es wird au den jeweiligen Tarif verwiesen.
Im Tarif KVT500 (und auch KVT1000) steht dann folgendes geschrieben:
Und hier gibt es dann schon mal recht viele Fragen, die man dem Unternehmen stellen könnte. Zum einen ist nur die Rede von „stationären“ Anschlussheilbehandlungen. Wie ja mittlerweile aber wissen, kann eine Anschlussheilbehandlung sowohl stationär, als auch teilstationär oder ambulant sein. Der Tarif sieht aber nur eine Leistung für stationäre Behandlungen vor. Außerdem schränkt der Tarif die Leistungspflicht des Versicherers auf die dort genannten Diagnosen ein. So sind dort z.B. Knie- oder Hüftgelenkersatz genannt.
- Was ist mit anderen Gelenken wie der Schulter oder Händen/Fingern?
- Was ist mit dem komplette Bereich der Transplantationsmedizin?
- Was ist mit Rheuma?
- Was ist mit Long Covid?
- Was ist mit dem gesamten Bereich der (geplanten) Reha-Maßnehmen (die Rede ist ja nur von Anschlussheilbehandlung)?
- Was ist mit Autoimunerkrankungen?
Stell Dir hier mal vor, du bist Rentner (Dt. Rentenversicherung leistet nicht, Berufsgenossenschaft leistet nicht) und deine Private Krankenversicherung der Hanse Merkur sagt dir, dass die Kosten einer Reha in den nur beispielhaft oben aufgeführten Fällen zahlt nicht. Wie fändest du das?
Nur mal zum Vergleich an der Stelle. Der Leistungskatalog der Dt. Rentenversicherung umfasst hier über 200 Seiten!!!! mit abgesicherten Diagnosen bei welchem der Träger einspringen würde, wenn du nicht schon im Rentenalter wärst.
Hallesche Tarif NK select XL 600 URZ
Im Gegensatz zur Hanse Merkur leistet die Hallesche hier zumindest bei Anschlussheilbehandlungen ohne jegliche Einschränkungen. Was in den Tarifbedingungen jedoch komplett fehlt ist der Bereich der (geplanten) Medizinischen Rehabilitation welcher schlicht gar nicht versichert wäre.
In vielen Fällen wird versucht, diesen Missstand dadurch auszugleichen, dass dem Kunden ein Kurtagegeld in Höhe von 20 Euro oder 50 Euro am Tag mit angeboten wird. Was dies für deine Kostensituation bedeutet, erfährst du weiter unten.
ARAG Tarif MedBest 600 FlexiPro
Die ARAG präsentiert eine Lösung analog dem vorherigen Beispiel der Halleschen. Auch hier ist der komplette Bereich der Anschlussheilbehandlungen abgedeckt und der komplette Bereich der (geplanten) Medizinischen Reha nicht.
Außerdem ist im Tarif jedoch ein Tagegeld für Kur- und Sanatoriumsbehandlungensowie Reha-Maßnahmen in Höhe von 50 Euro am Tag für max. 28 Tage vorgesehen.
Hier wäre es gut zu wissen, dass z.B. eine Reha-Maßnahme im Bereich der Geriatrie, also der Versorgung von aktuten und chronischen Krankheiten befasst, zwischen 240 Euro und 300 Euro am Tag kostet. Mit den versicherten 50 Euro am Tag, dürfte man also gerade mal bis zum Frühstück kommen und dann wäre Schluss.
Bayerische Beamtenkrankenkasse
Als einer von tatsächlich nur 3 oder 4 Anbietern am Markt der in diesem Test zum Thema „Vergleich Private Krankenversicherung“ mit einem guten Beispiel vorangeht steht hier die Bayerische Beamtenkrankenkasse (BBKK) bzw. auch die Schwester Union Krankenversicherung (UKV) mit dem Tarif Gesundheit Vario.
Hier gibt es Bedingungsseitig tatsächlich keinerlei Einschränkungen und selbst Privatärztliche Leistungen wie die Unterbringung im Einbettzimmer werden voll und ganz erstattet.
Mit welchen Kosten muss ich bei einer Reha rechnen?
Eine gewöhnliche Anschlussheilbehandlung oder Medizinische Reha liegt kostentechnisch gerne mal in einem Bereich zwischen 3.000 Euro und 10.000 Euro. Die teuerste Reha welche wir in den letzten Jahren begleitet haben war eine Anschlussheilbehandlung nach einem Schlaganfall (6 Wochen) und schlug mit 68.000 Euro zu buche.
Fazit und Zusammenfassung
In der folgenden Übersicht siehst du nochmal eine kurze Zusammenfassung der vier ausgewählten Anbieter und kannst dir so kurz und knapp ein Bild machen.
Ich hoffe ich konnte dir im heutigen Artikel mal einen guten Einblick geben, wo du bei einem Vergleich Private Krankenversicherung auch mal hinschauen solltest. Denn sind wir doch mal ehrlich, die meisten schweren Erkrankungen treten halt erst mit zunehmendem Alter ein und dann sind die gesetzlichen Träger wie Dt. Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft halt leider nicht mehr im Boot.
Bedenke hier auch, dass das SGB IX auf ca. 300 Seiten regelt, was alles in die Leistungspflicht der gesetzlichen Träger fällt. Immer dann, wenn dein Krankenversicherer dies in wenigen Sätzen beschränkt, solltest du also stuzig werden und lieber nochmal genauer nachfragen.
Solltest du dich für das Thema Vergleich Private Krankenversicherung interessieren und eine etwas andere Herangehensweise schätzen, melde dich gerne zu einem unserer kostenlosen Onlineberatungen an.