Kaum ein Thema ist so emotional die die Situation um einen pflegebedürftigen Menschen. Grund genug für mich, einmal den Finger in die Wunde zu legen und die aus meiner Sicht 7 größten Irrtümer zum Thema Pflegeversicherung aufzuzeigen.
1. Ich werde kein Pflegefall
Ich glaube, es liegt in der Natur des Menschen, unschöne Themen von sich weg zu schieben und eine eventuell drohende Gefahr zu ignorieren. Umgangssprachlich nennt man das auch Vogel-Strauß-Taktik oder den Kopf in den Sand stecken, um einer drohenden Gefahr zu entgehen. Jetzt geht es beim Thema Pflege nicht um Leben und Tod, aber immerhin um ganz viel Lebensqualität, weswegen es sich durchaus lohnt, einmal genauer hinzuschauen.
Natürlich wünsche ich jedem von Euch, dass ihr nie selbst in die Situation kommt, pflegerische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Betrachtet man sich unsere steigende Lebenserwartung, wird das Risiko allein deswegen pflegebedürftig zu werden, jedoch immer größer.
So liegt die mittlere Lebenserwartung eines heute 60jährigen Menschen in Deutschland bei 81,77 (Männern) bzw. 85,39 (Frauen).
2. Ich werde von meiner Familie gepflegt
Zugegebenermaßen wäre die Pflege durch die eigene Familie mit Sicherheit die Lieblingsvariante der meisten Menschen. Aber sind wir doch mal ehrlich, wer möchte das seinen Lieben wirklich zumuten? Will man seine Kinder wirklich in diese Situation versetzen sich rund um die Uhr um die Pflege kümmern zu „müssen“?
Jetzt mal abgesehen davon, dass wenn ich selbst 90 und pflegebedürftig bin, meine Kinder in aller Regel auch schon in einem fortgeschrittenen Alter sind, ist die tägliche Pflege eines Angehörigen ja nicht nur eine körperliche Anstrengung.
Ein weiterer Aspekt aus meiner Sicht ist aber auch die zunehmende Distanz zwischen dem Wohnort der Eltern und dem der Kinder. Früher war es eher die Regel denn die Ausnahme, mit mehreren Generationen innerhalb eines Hauses oder zumindest eines Ortes zu wohnen. Liegen wie in meinem Fall jedoch mehr als 350 km zwischen Eltern und einem selbst, kann die Pflege schnell mal zur logistischen Herausforderung werden.
3. Die gesetzliche Pflegeversicherung ist sicher
Wie jedes Sozialsystem leidet auch die Gesetzliche Pflegeversicherung unter den Auswirkungen des demographischen Wandels. Da wir alle immer älter werden, steigt zwangsläufig auch das Risiko einer Pflegebedürftigkeit und das wiederum hat Auswirkungen auf die Leistungsausgaben innerhalb des Systems.
Um die aktuelle Entwicklung einmal aufzuzeigen, genügt ein Blick auf die beiden folgenden Graphiken.
Ein Blick auf die erste Graphik zeigt die Einwicklung von Einnahmen und Ausgaben in der Pflegeversicherung. Besonderes Augenmerk sollte hier auf die Entwicklung seit der letzten Pflegereform im Jahr 2017 gelegt werden.
Graphik 2 zeigt hingegen die bisherige Entwicklung des Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung seit deren Einführung im Jahr 1995. Ich denke man braucht kein Hellseher sein, um zu wissen, dass eine derartige Entwicklung nicht nachhaltig ist und es zukünftig zwangsläufig wieder zu Leistungskürzungen kommen muss.
4. Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht aus
Nein das tut sie nicht! Im Jahr 2021 beläuft sich der Eigenanteil in deutschen Pflegeheimen auf durchschnittlich 2.068 Euro wobei die Tendenz stark steigend ist. Wohlgemerkt sprechen wir hier von einem durchschnittlichen Eigenanteil und die regionalen Ausprägungen sind nicht nur innerhalb der Bundesländer stark unterschiedlich.
5. Wenn ich gepflegt werde, dann eh nur kurz
„Dann kaufe ich mir eine Kugel“ ist nur eines von vielen Beispielen wie wir als Menschen versuchen die Realität mit einem „kleinen“ Witz beiseite zu schieben. Dass wir alle doch ein wenig mehr an unserem Leben zu hängen scheinen, bestätigt nicht nur ein Blick in die aktuelle Suizidstatistik, sondern vielmehr auch eine Studie der Barmer Ersatzkasse aus dem Jahr 2015. Schon damals lag die durchschnittliche Pflegedauer über alle Altersgruppen hinweg bei 6,7 Jahren.
Berücksichtigt man den zuvor erwähnten Eigenanteil in deutschen Pflegeheimen, kommt man bei 6,7 Jahren und einem monatlichen Fehlbetrag von durchschnittlich 2.068 Euro auf 165.440 Euro. Ich finde das ist gar nicht so wenig Geld, wenn man doch eh nur „kurz“ gepflegt wird oder was meint ihr darüber?
6. Die Pflegekosten kann ich aus meinem Einkommen bezahlen
Immerhin 10,5 % aller Pflegebedürftigen sind Sozialhilfeempfänger was bedeutet, dass die eigenen finanziellen Mittel nicht ausgereicht haben, um die angefallenen Kosten im Bereich der Pflege zu decken. Grundsätzlich gilt, „Kinder haften für Ihre Eltern!“. Reicht das Vermögen bzw. Einkommen der Eltern also nicht aus, um die Kosten einer Pflege zu bezahlen, springt das Sozialamt ein, holt sich das Geld jedoch von den Kindern wieder.
Aktuell gibt es hier eine „Schutzgrenze“ in Höhe von 100.000 Euro unterhalb derer nicht auf das Einkommen von z.B. eigenen Kindern zugegriffen werden kann. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass eine solche Entscheidung – zumal aktuell zu Lasten zukünftiger Generationen finanziert – gerne von der nächsten Bundesregierung wieder rückgängig gemacht wird.
7. Ich bin zu jung für eine Pflegezusatzversicherung
Lasst uns bei diesem Punkt doch einfach mal auf die wirtschaftliche Seite, also den eigenen Geldbeutel schauen. Ich denke den meisten Menschen dürfte spätestens nach dem Lesen dieses Artikels klar sein, dass sie irgendwann mal etwas für die finanzielle Absicherung der eigenen Pflege tun müssen. Aber soll ich das wirklich schon mit 40 tun? Schauen wir uns doch einfach mal die nackten Zahlen an und entscheiden dann, was aus finanzieller Sicht sinnvoll erscheint.
Beginnen wir mit einem heute 40-jährigen Menschen und unterstellen eine Lücke von beispielsweise 1.200 Euro im Monat welche es abzusichern gilt. Im Anschluss schauen wir uns an, was ein heute 60-jähriger Mensch an Beitrag zu zahlen hat und vergleichen diese beiden Szenarien miteinander. Für beide Kunden unterstellen wir eine Lebenserwartung von 85 Jahren, um später die Gesamtkosten auf die ganze Laufzeit des Vertrages ausrechnen zu können.
Was will ich damit eigentlich zum Ausdruck bringen? Wenn du Dir der Tatsache bewusst bist, dass du irgendwann nicht drum herumkommst, dich mit dem Thema Pflegeabsicherung zu beschäftigen, macht es keinen Sinn zu warten. Kümmerst Du Dich nämlich erst später um eine passende Absicherung, zahlst Du nicht nur monatlich deutlich mehr Beitrag, sondern auch die Gesamtinvestition hochgerechnet auf die ganze Laufzeit ist deutlich höher. Und ganz nebenbei erwähnt, hat der Kunde, welche es erst mit 60 in Angriff nimmt, auch noch 20 Jahre weniger Versicherungsschutz.